fahrradtortour.

am freitag fragte ich mich, was ich am wochenende mit mir anfangen will. im zweifel fürs fahrrad schwang ich mich aufs brompton und am schluss standen nach zwei tagen durch berlin, brandenburg und sachsen-anhalt 266,1 kilometer auf der uhr.

  • vorbereitung? lol. die route eine wilde mischung aus apple maps’ navigation und bikerouter. von berlin nach spandau nach brandenburg nach magdeburg. am nächsten tag spontan nach halle. proviant — und sonnencreme — gekauft. und los. jugendlicher leichtsinn mit verspätung.
  • in brandenburg reichen sich antisemit*innen und unterwerfungspazifist*innen unter geschichtsverklärung die hand. ich verzichte auf die frage am open mic, wann putin sich denn endlich aus der ukraine verpisst oder ob die hamas die geiseln schon freigelassen hat. ich habe ja schliesslich ein ziel — und ein softeis.
  • der weg von brandenburg nach magdeburg ist länger als gedacht. viel länger.
  • es ist so ruhig auf dem land. bis auf den wind. der ist laut und kommt komischerweise immer von vorne.
  • die dörfer heissen erzwow. stromzow. denitz. demitz. klödnitz. kalde. cabe.
  • schön sind sie ja, die meisten dörfer. es gibt viele verfallene gebäude, fabrikhallen. was man daraus machen könnte! und wie ruhig es dort ist. und voller faschos.
  • unterwegs merke ich, dass ich meine powerbank mangels kabel nicht nutzen kann. und das bei 20% in der pampa zwei stunden vor magdeburg. also lädt das tablet das handy.
  • bei magdeburg fahre ich bei einem schönen sonnenuntergang über eine brücke, auf der mittellandkanal die elbe überquert. wie cool ist das denn?
  • nach zwölf stunden navigation und tracking ist der akku der uhr bei 10%. in dem moment komme ich am hotel an.
  • ich verfahre mich ein paar mal, aber den umweg ist es meistens wert.
  • außer in magdeburg. magdeburg hat eine beschissene fahrradinfrastuktur.
  • das fahrrad hat drei gänge, in der stadt nutze ich hauptsächlich den kleinen und großen. auf dem land lerne ich den mittleren gang lieben. bergauf den kleinen. sie reichen.
  • laut internet hat die systemgastronomie italienischer art bis mitternacht auf. faktisch hat sie um zehn uhr zu. auf die dönerladeninfrastruktur hingegen ist verlass.
  • in sachsen-anhalt auf einer tankstellentoilette hakenkreuze und antisemitische vernichtungsphantasien. daneben „hoch lebe putin, ruhm und ehre der russichen armee“.
  • andere tankstellen hingegen retten meine stimmung — und mich — ein paar mal und versüßen mir das leben: eis, wasser und süßgetränke.
  • mein puls pendelt sich bei rund 130 ein.
  • irgendwann macht es trotzdem keinen spaß mehr. das ist neu. mein rechtes knie tut weh, mein hintern auch. ich frage mich: ist das brompton, dieses feine faltrad das richtige fahrrad für sowas oder will ich nur ein neues rad?
  • als ich halle erreiche, weine ich kurz. das tut gut.
  • ich werde keine tour de france, keinen giro, keine vuelta mehr fahren. ein bisschen schade, eigentlich.
  • morgen fahre ich definitiv kein fahrrad.
  • aber vielleicht ist es auch wie mit tattoos? nach dem ersten denkt man sich erst „nie wieder“ und kurz darauf liebäugelt man schon mit dem nächsten.
  • ich habe jetzt schon bock auf längere strecken. meine grenze finden. mal die nacht durchfahren.
Nathan @zeitschlag