der herr ist auferstanden.
- 28 days later.
- 28 weeks later.
- 28 years later (muss ich noch gucken).
- 28 centuries later:
in der sattelstange vom faltrad steckt unten ein ding, damit die sattelstange vom gefalteten faltrad nicht auf dem bogen kratzt. mal heisst es sattelstützenverschluss, mal endkappe, mal pfropfen. das originalteil hatte ich schon vor ewigkeiten verloren, einmal für sechs euro nachgekauft, wieder verloren — damit bin ich nich alleine.
seit einem halben steht ein produktionsmittel in meinem büro, ein 3d-drucker. als eine der ersten sachen produzierte der den pfropfen in einer haltbaren variante. gehalten wird das teil von einer schraube — die ist auch teuerste.
gestern ging mir dann der selbstgedruckte sattelstützenendkappenverschlussspfropfen kaputt. von unterwegs startete ich einen druck und während die waschmaschine lief, radelte ich ins büro und schraubte kurz.
materialkosten: rund 20 cent — das sind weniger als sechs euro. die schraube zählt da nich, die lässt sich wiederverwenden.
es regnete. am samstag wusste ich nichts mit mir anzufangen. fühlte mich wieder antriebslos. also beschloss ich, etwas dagegen zu tun. hatte eine grobe idee, über die ich eine halbe stunde grübelte. anschliessend zog ich los und kaufte mir eine billige analoge kamera. eine, bei der man nach jedem knips am rad drehen muss. zweiundzwanzig euro. weil es grau war und regnete, riet der verkäufer im hipster-foto-laden mir ahnungslosem zu einem schwarz-weiß film. acht euro fünfzig.
bewaffnet mit kamera und film wandelte ich als klischee durch die stadt. knipste hier. knipste da. ohne anspruch in der hoffnung des blinden huhns auf ein korn. ich hatte spaß und lief zwanzig kilometer.
vorhin habe ich den ersten film zum entwickeln und scannen in den foto-hipster-laden gebracht. und mir einen neuen gekauft. acht euro fünfzig.
auf dem weg zum kleinstadtkiosk für die morgendliche mate. einige leute stehen vor einer arztpraxis, der letzte in der reihe, ein älterer herr, kippt um. in mir springt ein automatismus an, mein kopf übernimmt in solchen momenten einfach und ruft die wichtigsten schritte ab: bewusstsein prüfen, atmung prüfen, stabile seitenlage, notruf.
der mann kommt wieder zu sich, will aufstehen. er blutet. ihm sei nur kurz schwindelig geworden, jetzt sei aber alles gut, kein rettungswagen. kaum hat er das gesagt, verliert er erneut das bewusstsein, taumelt. ich fange ihn ab und bringe ihn sanft zu boden. eine andere person ruft jetzt doch mal den rettungswagen. hinterher sagt sie, die hätten ihr ganz schön viele fragen gestellt.
das spiel wiederholt sich: er kommt wieder zu sich, ihm sei nur kurz schwindelig geworden, jetzt sei aber alles wieder gut, er steht wieder auf. ob er sich wirklich nicht vielleicht mal kurz hinsetzen will? nein. kaum steht er, wird er erneut bewusstlos, ich fange ihn wieder ab. in dem moment kommen die leute aus der praxis und übernehmen. dafür bin ich ihnen dankbar. wenig später kommt der rettungswagen und ich denke mir: ich sollte mal wieder einen erste-hilfe-kurz machen.
ostern in der kleinstadt. den antiimp-antifa-mackern auf der friedensdemo missfällt unsere existenz, unsere anwesenheit und unsere schönen, handgemalten plakate gefallen ihnen auch nicht. sie bedrängen uns. schubsen. versuchen, unsere plakate zu zerstören, mit denen wir frieden und schutz auch für ukrainer*innen und jüdisches leben einfordern und so stehen wir dann abseits und halten stumm eine ukraine-flagge und plakate hoch, oder was davon noch übrig ist.
nach der kundgebung kommt eine frau auf uns zu. sie ist berührt, dass wir dort stehen und den unterwegungspazifist*innen etwas entgegenstellen. sie käme aus lwiw im westen der ukraine. sie erzählt, dass die russischen raketen den krieg auch dort hintragen. dass der westen die ukraine alleine gelassen hat. wie ihre mutter unter russlands angriffen auf elektrizitätswerke kälte gelitten hätte. sie sei mittlerweile hier. zum glück. jeden morgen schaut sie die nachrichten, weil sie wissen muss: wie viele russen wurden getötet?
max war seit über zwölf jahren mein bester freund und mit max hatte ich einen deal: wenn der eine einen neuen job antrat, musste er den anderen auf einen abend einladen. das war besser für ihn, weil er signifikant mehr trinken konnte und ich häufiger die firma wechselte.
dann kam corona und weil ich im februar 2020 eine neue stelle anfing, gingen wir statt in kneipen in berlin von späti zu späti. 2022 machte ich mich selbstständig und wir verhandelten den deal neu: aus einem abend wurde ein sixpack dosenbier, weil dosenbier macht schlau, wie er immer sagte.
im oktober 2023 ist max gestorben. fiel einfach um. von jetzt auf gleich. mit anfang 30. ich fuhr runter und löste mit seiner verlobten den haushalt auf. fuhr seinen wagen, den ich nie fahren wollte, zum autohaus zurück. abgesehen von einer schleifenden bremse fuhr er sich echt gut. trank seitdem kaum noch.
seit ein paar tagen habe ich einen neuen auftrag und wurde mir unerwartet, erneut und schmerzlich der leerstelle bewusst.
der supermarkt um die ecke wurde umgebaut, er hatte dann selbstbedienungskassen. eigentlich mag ich selbstbedienungskassen. ich kann den einkauf in meinem tempo einscannen und einpacken.
seit ein paar tagen muss ich den kassenbon einscannen, um so ein tor aufzumachen, ein gatter. als ob mich das hindern würde, aus biobananen bananen werden zu lassen. als ob mich das daran hindern würde, zwei laugenstangen zum preis von einer zu erstehen.
sie hatten die hoffnung, dass selbstbedienungskassen den umsatz erhöhen. dass ich unbezahlte arbeit für sie leiste. sie so ihren profit maximieren. und jetzt misstrauen sie mir.
mehr erfolgreiche ladendiebstähle sind der preis, mit dem ihr die gesenkten personalkosten bezahlen müsst. sucht es euch aus, denn: ihr könnt nicht beides haben.
die tage unterhielt ich mich mit einer freundin, es ging um die multidimensionalen probleme der us-regierung bei der signal-benutzung. wir machen uns lustig, dass die faschistisch*innen es verkackt haben, aber niemanden kümmert es. es ist nur ein weiteres fuckup — und sie sitzen es einfach aus. so wie merz, der die proteste anfang des jahres einfach ausgesessen hat. man muss die spd noch nicht mal mehr schubsen, sie fallen von alleine wie dominosteine vor ihm in den staub. ich vermisse eine zeit, in der politiker*innen noch die konsequenzen ihres handelns getragen haben, tragen mussten, aber damit scheint es vorbei zu sein. und von faschist*innen kann man es nicht erwarten. fühlt sich scheisse an zu wissen: die kommenden jahre, vielleicht jahrzehnte werden hart.
manchmal, regelmässig, stellt mir mein kopf die frage, was ich eigentlich wolle. wo ich denn hinwolle mit und in meinem leben. wo denn mein platz sei. ich habe keine antworten, aber sehe leute, die wissen, was sie wollen. die gut sind in dem, was sie tun. die für etwas brennen. die ihren platz gefunden haben. ich bewundere sie und neide.
ich frage mich, was passiert wäre, wenn ich jene statt dieser abzweigung genommen hätte. mich anders entschieden hätte. was gewesen wäre, wenn ich nicht aufgegeben, sondern weitergemacht, mich ver- und durchgebissen hätte? mutig gewesen wäre? frage, wo ich denn dann im leben stünde. kurz werde ich dann meist traurig, weil ich bisher weder platz, noch leidenschaft, noch berufung gefunden habe. und dann gebe ich wieder auf und suche weiter.
ich möchte daran glauben, dass ehrlich am längsten währt und dass von einem zusammen alle beteiligten mehr haben, mehr profitieren, es sie weiter bringt, als ein gegeneinander.
und dann sehe ich, wie friedrich merz sich an die macht lügt. mit rechtsextremen im anzug arbeitet. sehe, dass diese gesellschaft ihn wählt — in zusammenarbeit mit springer et al. sehe, wie vance, musk und trump im weißen haus selensky behandeln — und er sich ihnen notgedrungen unterwirft. gewalt, unterdrückung und lügen wohin das auge blickt.
es fällt mir schwer, den glauben an das gute im menschen zu wahren. aber vielleicht ist jetzt einfach noch nicht lang genug und am schluss gewinnt trotz allem ehrlich und zusammen?
meine letzte oma ist gestorben. ich muss an ein gespräch mit meinem vater denken. wir unterhielten uns über seine biographie.
als meine begann, schrieb er gerade seine diplomarbeit, während ich schlief — auf einem computer! ich schlief viel und es gibt fotos, wie er am rechner sitzt und ich im bett schlaf und er seine diplomarbeit tippt.
und als während er das erzählte, klang es wie das normalste der welt, solche sachen mit dem computer zu erledigen. es fasziniert mich immer noch, wie lange computer offenbar schon alltäglich sind.
und jetzt frage ich mich, ob sich die it auch schon früher so sehr mit sich selbst beschäftigte, wie heutzutage? wir drehen uns um uns selbst, denke uns eigene, neue probleme aus, und die lösungen für erfundene probleme auch.
irgendwann in den letzten jahren wurde squid game von und auf netflix veröffentlicht. ich bekam den hype mit und der war anlass genug, nichts zu tun. gut, ich sah eine folge — und fand sie langweilig: es ist so offensichtlich. kapitalismus. danach mied ich die serie wirklich. stattdessen bingete ich mit jeder neuen staffel the boys alle bisher erschienenen bei bezos tv. das war so lange lustig, unterhaltsam, bis es zu offensichtlich wurde. und trump präsident. ab da tat es weh.
seit ein paar tagen schauen wir jetzt squid game und ich komme mir vor wie ein voyeur. bin fasziniert. unterhalten. angeekelt.
im supermarkt. vor mir ein rentner, auf dem band ein sahnepudding und eine packung instant-nudeln. es fehlen zehn cent. den pudding dann doch bitte nicht. ich schaue in meinen geldbeutel und sehe nur vier. ich übernehme das, ja, mit karte bitte. ich muss an den waschsalon denken.
das viertel ist arm, politisch gewollt dreckig. wir schleichen uns kurz vor mitternacht auf einen nahegelegenen platz, um das spektakel aus feuerwerk und die böllerei anzuschauen. mir erschließt sich nich, warum man im eigenen viertel böllert. man scheißt ja auch nich vor die eigene haustür.
raketen fliegen, manche horizontal. manche explodieren in unserer nähe. manche böller spürt man richtig im oberkörper. es ist so laut, dass ich das läuten der kirchturmglocken erst wahrnehme, als wir direkt vor dem kirchturm stehen. auf dem rückweg mehrere kleingruppen, aus denen einzelne aufeinander losgehen.
am nächsten morgen lese ich von fünf toten. von vielen verletzungen. von abgefackelten häusern und habe kein mitleid. lese, dass rettungskräfte angegangen wurden. dass faeser, mal wieder, mit staatlichen repressionen reagieren will. als ob das das einzige mittel im werkzeugkasten ist.
warum kein böllerverbot? warum nicht mehr soziale infrastruktur? orte, an denen junge erwachsene sein können? warum kein organisiertes feuerwerk, warum keine dronenshow?
stattdessen toxische männlichkeit. rücksichtslosigkeit. leid. aggressionen. alkohol. gewalt. zerstörung. mängelverwaltung. rückzug.
das kann man ja auch sinnvoll nutzen: wir sollten dieses jahr in den villenviertel böllern.
friede den hütten. krieg den palästen.
der supermarkt ist überraschend und erfreulich leer. anschließend für eine kalte mate zum späti. auf dem rückweg renne ich einem cdu-wahlkampfstand, der sich als vor-ort-gespräch tarnt, in die arme. ein bürgerlich gekleideter rentner will mir einen flyer anbieten.
warum ich denn eine partei mit friedrich merz an der spitze wählen solle, frage ich stattdessen. wegen putin, sagt er, und weil es weniger bürokratie für unternehmen brauche. warum denn das? bürokratie entstehe oft dort, wo unternehmen sich übergriffig verhalten.
überhaupt: wegen unternehmen! der staat ein schlechter unternehmer sei. weil großunternehmen keine subventionen nötig hätten. weil wir umverteilung bräuchten.
was die cdu unter friedrich merz denn plane, um geld von reichen umzuverteilen? was die cdu denn plane, um mieten zu senken? schließlich besteht ein guter teil der miete bei vonovia und co. aus dividenden für aktionar*innen.
er besitze selbst ein haus, sagt er. hier in der gegend. vor jahren für ein paar hundertausend euro gekauft. pro jahr werfe die miete fünfzigtausend ab. und das muss noch versteuert werden. und was er von dem, was übrig bleibt, alles bezahlen müsse. bald muss die fassade der rückseite gemacht werden. hundertzwanzigtausend. am schluss hätte er nichts davon, aber immerhin die erben. ich sage ihm, dass ich kein mitleid habe.
er sei selbst ja auch lange selbstständig gewesen. prokurist. geschäftsführer. da finde er es auch gut, dass er die profite kassiere, wenn er das risiko trage. auch bei familienunternehmen, bei denen es eine engere bindung zwischen eigentümer*innen und arbeitnehmer*innen gebe, finde er es gerechtfertigt. meinen einwand, dass arbeitnehmer*innen viel eher das risiko für wirtschaftliche fehlentscheidungen ihrer vorgesetzten tragen, also nach dieser logik auch anspruch auf die profite hätten, ignoriert er gekonnt.
er kann mich nicht überzeugen. ich ihn auch nicht. wir verabschieden uns. er dankt für das anregende gespräch und versucht es erneut mit dem flyer, ich lehne erneut ab. ob ich wenigstens eine cdu-schokolade nehmen würde? nein, danke.
2012 habe ich mir mein erstes macbook gekauft. so ein schönes, weißes, das schon vier jahre alt war. gebraucht. oben drauf gab es vom vorbesitzer eine hülle aus neopren, nichts besonderes, aber einfach und zweckmässig.
das macbook habe ich ein paar jahre später gegen ein macbook air getauscht, aber die hülle blieb, weil war ja noch gut. das macbook air habe ich ein paar jahre später gegen ein macbook pro getauscht, aber die hülle blieb, weil war ja noch gut. und weil aller guten dinge drei sind und zeit geld, als freiberufler noch mehr, habe ich mir auch beim nächsten macbook pro keine neue hülle gekauft, weil war ja noch gut.
vor ein paar tagen ging sie dann kaputt und war nicht mehr gut und so habe ich mir dann nach zwölf jahren eine neue hülle gekauft, eine schöne. weil sie sich gut reparieren lässt, wahrscheinlich die letzte.
von all den schönen stickern auf meinem laptop wollte er abends um halb 11 ausgerechnet über den „fight bds“ diskutieren.
er sagte zu beginn aber direkt, ich könne auch einfach „nein“ sagen. also sagte ich „nein“. den trick will ich mir merken.
im discounter. auf dem nachhauseweg fiel mir ein, dass ich noch katzenfutter kaufen wollte. also stehe ich jetzt da, an der selbstbedienungskasse, mit zwanzig dosen in der tasche. ich hätte zwanzig dosen, sage ich. ob es eine mehrfachauswahl gibt oder ich die alle einzeln rüberziehen müsse, frage ich. ob sie mal in meine tasche schauen könne, fragt die kassiererin. klar. ne, ginge nich, seien ja verschiedene sorten, also alle einzeln. sei das ihr ernst? das sei leider ihr ernst.
dass ich anschliessend zwanzig dosen katzenfutter (und sechs mandarinen mit blatt) auf ihr band packe, davon ist sie dann auch wieder nicht begeistert.
ich stolpere gerade mal wieder über die faire computermaus, sie hat jetzt ein umweltzertifikat. wie jedes mal will ich sie mögen und bestellen und stolpere dann wieder darüber, dass sie in einer werkstatt für menschen mit behinderung gefertigt wird.
auf der einen seite steht da ein faireres stück hardware, auf der anderen seite aber das wissen um ausbeutung und arbeitsbedingungen in diesen werkstätten. zur wahrheit gehört auch: solange elon arschloch, taylor swift und co. mit ihren privatjets zum shoppen fliegen, solange ölkonzerne weiter co2 in die luft blasen, als gäbe es kein morgen mehr, das gibt es jetzt wahrscheinlich wirklich nicht mehr, werden meine konsumentscheidungen ein tropfen auf die heiße erde sein.
und trotzdem frage ich mich, woher dieser absolutheitsanspruch kommt. warum muss eine fairere computermaus perfekt sein? woher kommt diese erwartungshaltung? weil sie nicht “fairer” sondern “fair” heisst? obwohl das fairphone hat trotz des namens ja auch gezeigt, dass es anders geht.
vielleicht ist das das besondere, das wertvolle an diesen kleinen projekten? sie erbringen einen machbarkeitsbeweis: es geht anders, vielleicht besser.
im erdgeschoss vom haus ist seit über hundert jahren eine kleine buchhandlung, also seit immer. wenn ich auf dem nachhauseweg im dunkeln die beleuchteten schaufenster sah, wusste ich: gleich habe ich es geschafft, gleich bin ich zuhause.
für weihnachten, für geburtstage war die kleine buchhandlung im erdgeschoss immer gut. man ging rein, bestellte, bezahlte — und fand das buch als geschenk verpackt ein, zwei tage später im treppenhaus.
später nahm ich mein zuhause mit und zog weg, über umwege in die große stadt. die kleine buchhandlung im erdgeschoss aber blieb und weil geburtstage und weihnachten jedes jahr aufs neue stattfinden, schickte ich jetzt eine email, bestellte, bekam die rechnung, bezahlte — und pünktlich lag das buch als geschenk verpackt im treppenhaus.
vor einigen wochen zog ich in der großen stadt einen brief von der kleinen buchhandlung im erdgeschoss aus dem briefkasten: sie schliessen. und sie werden fehlen.
ich bin gut darin, sachen zu bauen. zumindest rede ich mir das ein. ich mag es, dinge auseinanderzunehmen, zu dekonstruieren, um zu verstehen, wie sie funktionieren. was ich wiederum nich gut kann, ist kram zu gestalten. dinge schön machen. dazu fehlt mir das handwerkszeug, das auge, ich bin kein designer.
was mir gefällt, das kann ich sagen, aber ich kann nich gut entwerfen, was mir gefällt. manchmal wäre ich gerne kreativer, emotionaler, irrationaler, mehr künstler als handwerker.
meine mutter war gelernte schriftsetzerin. ich erinnere mich an setzkästen in ihrem arbeitszimmer, die sie sich irgendwann wohl aus nostalgiegründen gekauft hatte. an lettern in den setzkästen. später arbeitete meine mutter als selbstständige grafikerin.
immer wieder taucht das thema typografie in meinem leben auf. sei es, weil ich die abizeitung layoute. sei es, weil ich meine packliste schön haben will und bei butterick’s practical typographyspicken muss. sei es, weil ich eine schöne tasche in der potsdamer straße abhole und dabei meinen blick nicht von druckmaschinen abwenden kann.
ich mag schrift. mag, was man damit vermitteln kann, auch und gerade weit über das inhaltliche hinaus. ich wertschätze die details. gutes, sauberes, durchdachtes handwerk eben. und gleichzeitig merke ich, dass design einfach nich meine disziplin ist. zumindest rede ich mir das ein.
gestern habe ich ein neues notizbuch angefangen. obwohl ich noch ein angefangenes habe. eine mischung aus rebellion und verschwendung. aber dieses hier ist für andere dinge als das andere! es trägt den schönen titel „chronik der laufenden ereignisse“ und ist im suhrkamp-verlag erschienen. ich konnte ihm nich widerstehe, als ich mir ein anderes buch kaufte. ich mag es. es schreibt sich gut. es ist klein.
doch während ich noch nicht weiß, ob klein in diesem fall gut — wobei das bei einem buch unbestätigten gerüchte zufolge eher vom inhalt abhängt — bedeutet, kann ich sagen, dass ich das softcover unpraktisch finde.
anfang der woche war ich beim team im schönen freiburg. geschäftsreise mit dem kleinen fahrrad. arbeitstreffen. socializing. wir sprachen auch über gott und die welt und die anfänge und wie wir zu dem kamen, was wir heute tun: wir fingen an. ganz naiv.
das hamburg von vor rund dreissig jahren klang wild. damals wie heute stolperten leute in jobs rein — und fingen einfach an. legten tausendfünfhundert mark — das sind tausendfünfhundert euro — für einen c-compiler hin. lasen bücher. programmierten
mein erstes macbook kaufte ich mir 2011, also auch vor fast dreissig jahren. nach einem kurzen ausflug in die android-welt kam recht schnell ein iPhone 5s dazu und die frage: „wie baut man dafür eigentlich apps?“
und dann fing ich einfach mal an. ganz naiv. organisierte mir ein buch über objective-c. schrieb eine kleine app, die auch mal wieder liebe vertragen könnte. studierte nebenbei, spielte mit dem gedanken, das studium abzubrechen, studierte zuende, fand über twitter meinen ersten job als iOS-entwickler in berlin, zog nach berlin. ein paar jahre später fuhr ich als freiberuflicher iOS-entwickler nach freiburg zum team. arbeitstreffen.
und heute? gefühlt fällt es mir heute schwerer, einfach so anzufangen. wo ist die naivität hin?
vor ein paar wochen habe ich mit yoga angefangen — und heute meine fitnessstudiomitgliedschaft gekündigt, aber das ist eine andere geschichte.
und während ich nach der praxis so da liege und zur ruhe komme, entscheidet die dicke katze, dass ich ganz gemütlich aussehe, so wie ich da liege, rammt mir den kopf in die seite, legt sich auf meinen bauch und fängt an zu schnurren.
seit längerem trage ich mich mit dem losen gedanken, dass groß per se problematisch ist, weil groß macht symbolisiert, und denke langsam über ihn nach. groß nutze ich hier eher, weil ich bisher keinen besseren begriff gefunden habe.
ein großes auto? problematisch. die dosis? problematisch. ein großkonzern? problematisch. milliardär*innen mit viel geld? jede*r einzelne problematisch. die einzig logische und bekannte, wenn auch leicht trotzige schlußfolgerung: klein ist schön.
vor einiger zeit habe ich mich unterhalten. wir saßen in einem kleinen café mit guter heißer schokolade, das gleichzeitig ein kleiner fahrradladen ist, also ein kleiner traum. im laufe des gesprächs kamen wir auch auf das thema größe und weil wir vorher über staaten als zusammenschluß von vielen, vielen menschen sprachen, meldete sich mein kopf und stopfte staaten aus neuen gründen in die schublade problematisch.
vor ein paar tagen beschwerte sich ein freund, ein programmierer. er habe in einem meeting erfahren, dass er eine faule sau sei und nicht schnell genug die neuesten trends lerne. vielleicht ist nicht nur klein schön, sondern auch langsam?